Kultur
Eindrucksvolle Bilder im Staatstheater Kassel
Die Jungfrau von Orleans
(Quelle: N.Klinger)
GDN -
Mit Schillers “Die Jungfrau von Orleans“ bringt das Staatstheater Kassel einen Klassiker auf die Bühne. Die Inszenierung von Gustav Rueb zeichnet sich durch eine starke Bildsprache aus, die beim Publikum gut ankommt.
Feindliche Truppen haben große Teile Frankreichs besetzt. Lediglich die Stadt Orléans leistet noch Widerstand. In dieser ausweglosen Situation taucht plötzlich ein junges Mädchen, das behauptet im göttlichen Auftrag zu handeln, auf, stellt sich an die Spitze des Heeres und schlägt die Feinde in die Flucht. Die “Jungfrau von Orléans“ - eine rätselhafte Gestalt, die mit unnachgiebiger Rigorosität gegen die Feinde vorgeht, bis sie sich in einen von ihnen, den englischen Anführer Lionel, verliebt und an ihrer eigenen Stärke zu zweifeln beginnt.
1801 wurde das Drama von Friedrich Schiller in Leipzig erfolgreich uraufgeführt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts galt es als eines der am häufigsten gespielten Stücke auf deutschen Bühnen. Nun hat sich der junge Regisseur Gustav Rueb, der sich bereits in der Vergangenheit als Experte für große, schwere Stoffe erwiesen hat, für das Staatstheater Kassel der “romantischen Tragödie“ - wie Schiller die Geschichte selbst bezeichnet hat - angenommen.
Rueb sieht, wie einem Interview zu entnehmen ist, selbstverständlich die naheliegenden Parallelen zum religiösen Fundamentalismus unserer Zeit, will das Stück aber keinesfalls darauf reduzieren. Für ihn sei die Jungfrau nicht nur Gotteskriegerin, sondern eine weitaus vielschichtigere Figur, “die angsteinflößend und verführend zugleich“ wirken könne. In der Tat erlebt der Zuschauer auf der Bühne des Staatstheaters Kassel eine verführte und verführende Jungfrau, die zugleich erbarmungslos und verletzlich, bedauernswert und bedrohlich erscheint. Eva Maria Sommersberg verkörpert die Jungfrau und hält die Figur, mit einer sehr reduzierten Spielweise, in genau dieser unfasslichen Schwebe.
Ruebs Inszenierung besticht durch eine starke Bildsprache. Florian Etti hat ein nüchternes, metallisches Bühnenbild erschaffen. Mit sich hebenden und senkenden Podesten sowie neun mächtigen, beweglichen Stahlträgern, die über dem Geschehen schweben, werden im Verlaufe des Stückes beeindruckende Raumillusionen erschaffen. Orte und Handlungen werden dabei oftmals eher ahnbar gemacht, als konkret dargestellt. Im Kontrast zu dem abstrakten Bühnenbild werden im Hintergrund reale Filmszenen großformatig projiziert.
Neben dem überzeugenden ästhetischen Konzept, besticht die Inszenierung auch durch mehrere schöne Ideen, wie beispielsweise die Doppelbesetzungen, in der die Darsteller sowohl Franzosen als auch feindliche Engländer darstellen. Wenn sich in einer Szene eine Blutdusche über die Kämpfenden ergießt und dazu Punkmusik aus den Lautsprechern tönt oder durch komische Einfälle die Handlung ironisch gebrochen wird, sind das die Momente, für die es sich lohnt, ins Theater zu gehen.
Doch trotz all dieser augenfälligen Stärken der Inszenierung lässt einem das Geschehen auf der Bühne doch auch weitestgehend emotional unberührt zurück. Vielleicht mutet Rueb dem Zuschauer dann doch zu viele Kontraste zu. Die Sprache bleibt bisweilen fremd und manch schauspielerisches Potenzial leider ungenutzt. Mitunter scheinen die Darsteller von der Bühnenkonstruktion geradezu erdrückt zu werden.
Zum Abschluss erntet die Produktion großen Applaus vom Publikum. Trotz einiger Schwächen und Ungereimtheiten ist die Kasseler Inszenierung der “Jungfrau von Orleans“ fraglos sehenswert. Karten für weitere Vorstellungen sind an der Kasse des Staatstheaters Kassel (Tel.: 0561/1094-222) oder online unter www.staatstheater-kassel.de erhältlich.
weitere Informationen: https://www.staatstheater-kassel.de
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